Bündelausgleichung vs. 3D-Transformation (in einem Guss)
Hallo Frank,
wir haben zwei Softwarepakete entwickelt in diesem Bereich. Neben JAG3D ist dies UNƖTƐD. Während JAG3D den Ansatz über die originären Beobachtungen verfolgt, nutzt UNƖTƐD den von Dir genannten Transformationsansatz. Eine ausführliche Beschreibung des mathematischen Modells findet sich im Artikel Konzept zur Realisierung eines Prototypen zur sachgerechten Auswertung von polaren Beobachtungen (avn 7/2012).
In einem Projekt wurden wir mit einer ähnlich gelagerten Fragestellung konfrontiert. Hierbei ging es weniger um die Frage der "Gleichheit" zwischen beiden Ansätzen sondern mehr um die Unterschiede in der Analysestrategie. In diesem Zusammenhang haben wir auch eine Vergleichsrechnung durchgeführt mit einem syntetischen Testnetz, welches die Kollegen vom Teilchenbeschleuniger DESY bereitgestellt hatten. In diesem Vergleich haben wir Koordinatendifferenzen von ≪1E-3 µm
(!) festgestellt, siehe hierzu bitte die ausführliche Übersicht auf Folie 7. Das haben wir als praktisch gleichwertig eingestuft und nicht weiter untersucht, ob man mit weiteren Iterationen oder einem noch kleineren Grenzwert numerische Identität erreichen kann. Ich denke für Deine Fragestellung ist dies hinreichend.
Jetzt die Frage: Kann man auf beiden Berechnungswegen die gleichen Endergebnisse erzielen, wenn man die Gewichtung (bzw. die Genauigkeit der Beobachtungselemente, bei a) also 2xWinkel und 1xStrecke und bei b) die drei Koordinaten) entsprechend anpasst? Wie müsste man dazu vorgehen?
Man kann, wie oben beschrieben, mit beiden Ansatz mindestens praktisch gleichwertige Ergebnisse erzielen, ja. Hierzu müsste man die Unsicherheiten der originären polaren Messwerte bei der Umformung in (lokale) kartesische Koordinaten streng transformieren. Hierbei ist zu beachten, dass ggf. auftretende algebraische Abhängigkeiten (Korrelationen) zwischen den Koordinatenkomponenten der kartesischen Koordinaten mitzuführen sind. Letzteres führt bei der Analyse häufig zu Problemen, auch dann, wenn diese algebraischen Abhängigkeiten nicht vernachlässigt wurden.
Wenn bspw. im Ansatz mit originären Beobachtungen bspw. die Strecke fehlerhaft ist, dann kann diese von der weiteren Berechnung ausgeschlossen werden. Im Ansatz mit kartesischen Koordinaten ist die Strecke in allen drei Komponenten enthalten. Hier würde eine fehlerhafte Strecke zu einer Verwerfung des gesamten Punktes führen, wodurch implizit zwei unauffällige Messungen (die beiden Winkel) mit deaktiviert werden, siehe Folie 10. Mit dem Vorliegen von größeren Messabweichungen driften somit beide Lösung schnell auseinander.
Weitere Unterschiede können sich ergeben, wenn die Lagerung des Netzes nicht gleichwertig ist. Kann eine Software nur einen hierarchischen Anschluss an ein Punktfeld, dann lässt sich dies nicht mit den Ergebnissen einer freien Ausgleichung vergleichen (unabhängig davon, mit welchem Ansatz die Ausgleichung erfolgte).
Ich hoffe, dass hilft Dir weiter.
Viele Grüße
Micha
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