JAG3D unterstützt in der Netzausgleichung verschiedene Beobachtungsarten, die innerhalb eines Projektes miteinander kombiniert werden können. Voraussetzung ist, dass die jeweilige Beobachtung zwischen Punkten definiert wird, die diesen Typ unterstützen. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über alle verfügbaren Beobachtungstypen und zwischen welchen Punkten diese in der Ausgleichung berücksichtigt werden können.
1D-Punkt | 2D-Punkt | 3D-Punkt | |
---|---|---|---|
Nivellement | x | x | |
Richtung/Azimut | x | x | |
Horizontalstrecke | x | x | |
Raumstrecke | x | ||
Zenitwinkel | x | ||
GNSS 1D-Basislinie | x | x | |
GNSS 2D-Basislinie | x | x | |
GNSS 3D-Basislinie | x | ||
1D-Punkt | x | ||
2D-Punkt | x | ||
3D-Punkt | x | ||
Lotabweichungen | x |
Das funktionale und stochastische Modell der einzelnen Beobachtungen soll im Folgenden erläutert werden. Beobachtungen sind immer zwischen zwei Punkten definiert, dem Standpunkt Ps und dem Zielpunkt Pz. Deren Koordinaten seien Ps=(xsyszs)T und Pz=(xzyzzz)T, wenn es sich um Raumpunkte handelt. Liegen die Punkte in einer niederen Dimension vor, so sind die entsprechenden Koordinatenkomponenten zu streichen. Mit hs und hz sind die Stand- und Zielpunkthöhen gegeben. Ferner setzt sich das stochastische Modell aus konstanten und entfernungsabhängigen Anteilen zusammen. Die Distanz zur Bestimmung der entfernungsabhängigen Anteile sei mit d bezeichnet.
JAG3D unterstützt eine integrierte, hybride 3D-Netzausgleichung für terrestrische Beobachtungen, Nivellements und GNSS-Beobachtungen. Hierbei berücksichtigt die Software eine mögliche Nichtparallelität zwischen den Stehachsen der (Stand-)Punkte infolge von vorhandenen Lotabweichungen (bzw. Stehachsrestneigungen). Abbildung 1 zeigt schematisch den Zusammenhang zwischen dem einheitlich gewählten Datum, dem x,y,z-System, und dem jeweils lokalen u,v,w-System im Instrumentenstandpunkt.
Werden die Koordinatendifferenzen zwischen zwei Punkten mit
(ΔxΔyΔz)=(xz−xsyz−yszz−zs)
bezeichnet, so ergibt sich die allg. Beobachtungsgleichung
(ΔuΔvΔw)=Rs(ΔxΔyΔz)−(00ih)+RsRTz(00th)
worin zur Modellierung der Lotabweichungen (bzw. Stehachsrestneigungen) im Standpunkt die Rotationssequenz Rs und im Zielpunkt die Rotationssequenz Rz eingeführt werden. Die Rotationssequenz für jeden Punkt ergibt sich aus einer kombinierten Drehung um die x und y-Achse
R=(1000cosζx−sinζx0sinζxcosζx)(cosζy0sinζy010−sinζy0cosζy)
Hierin stellen ζx und ζy die Drehwinkel zur Beschreibung der Lotabweichungen (bzw. Stehachsrestneigungen) dar.
Das gemeinsame Datum kann durch einen Fundamentalpunkt (Principal Point) P0 definiert werden. In diesem Fall sind für P0 die globalen geographischen Koordinaten λ0 und ϕ0 vorzugeben, sodass die resultierende Ellipsoidnormale das lokale (tangentiale) Koordinatensystem in (x0y0z0)T definiert, welches durch N0+h0 ggf. noch entlang dieses Normalenvektors zu verschieben ist, siehe Abbildung 2. Hierbei bezeichnet N0 den Normalkrümmungsradius im senkrecht projizierten Fußpunkt von P0.
Die xyz-Koordinaten in diesem Datum können durch die bekannte Umformung
(yixizi)=(y0x0z0)+(−sinλ0cosλ00−sinϕ0cosλ0−sinϕ0sinλ0cosϕ0cosϕ0cosλ0cosϕ0sinλ0sinϕ0)(Xi−X0Yi−Y0Zi−Z0)
ermittelt werden. Hierin sind PTi=(XYZ) die globalen (geozentrischen) Koordinaten und (xyz)T die korrespondierenden lokalen Koordinaten des i-ten Punktes Pi. Die beiden Winkel ζx,i und ζy,i beschreiben somit in diesem Koordinatensystem die Abweichungen zwischen der durch P0 definierten (lokalen) z0-Achse und der jeweiligen Ellipsoidnormalen von Pi. Für Pi müssen keine globalen geographischen Koordinaten bereitgestellt werden, da diese sich aus der inversen Umformung direkt ergeben.
Wird ein lokales ellipsoidisches Koordinatensystem verwendet und zusätzlich ζx,i und ζy,i vorgegeben, so werden die theoretischen Winkel mit den vorgegebenen Winkeln akkumuliert in der Ausgleichung. Hierdurch ist es möglich, Lotabweichungen in der Ausgleichung zu berücksichtigen, die die Abweichungen zwischen den Ellipsoidnormalen und den jeweiligen lokalen Lotrichtungen beschreiben. Bitte beachte, dass die in der Erdmessung gebräuchlichen Lotabweichungsparameter ξ und η gegenüber den beiden Winkeln ζx und ζy einen anderen Drehsinn aufweisen. Es gilt ζx=η und ζy=−ξ.
Im Folgenden werden die terrestrischen Beobachtungsgleichungen, wie sie von JAG3D unterstützt werden, aufgeführt. Neben dem funktionalen Modell wird das stochastische Modell vorgestellt und mögliche Gruppenparameter, die wahlweise als zusätzliche Unbekannte geschätzt werden können, genannt. Das aufgeführte stochastische Modell wird herangezogen, wenn keine individuellen Genauigkeiten für die einzelnen Beobachtungen vorliegen. Nur in diesem Fall greift der hier gezeigte gruppenbasierte Ansatz.
Hinweis: Das stochastische Modell setzt sich stets aus einem konstanten und zwei entfernungsabhängigen Anteilen zusammen. Für die entfernungsabhängigen Anteilen muss die Zielweite d gegeben sein. Sollte d nicht explizit vorliegen, berechnet JAG3D die Zielweite näherungsweise aus den Näherungskoordinaten. In Abhängigkeit der Güte der Näherungskoordinaten kann das stochastische Modell daher variieren, sodass die explizite Vorgabe der Zielweite empfohlen wird.
Funktionales Modell | δh=1m(w∗z−ws) |
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Stochastisches Modell | σδh=√σ2a+σ2bd+(σcd)2 |
Punktdimension | 1D, 3D |
Zusatzparameter | Maßstab m |
(Bemerkung: w∗ bezieht sich auf das lokale System des Zielpunktes)
Funktionales Modell | t=arctan2ΔvΔu−o |
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Stochastisches Modell | σt=√σ2a+(σb√d)2+(σcd)2 |
Punktdimension | 2D, 3D |
Zusatzparameter | Orientierung o |
(Bemerkung: Bei Azimuten entfällt unter Umständen o)
Funktionales Modell | s2D=1m(√Δv2+Δu2−a) |
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Stochastisches Modell | σs2D=√σ2a+σ2bd+σ2cd2 |
Punktdimension | 2D, 3D |
Zusatzparameter | Maßstab m, Nullpunktabweichung a |
Funktionales Modell | s3D=1m(√Δv2+Δu2+Δw2−a) |
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Stochastisches Modell | σs3D=√σ2a+σ2bd+σ2cd2 |
Punktdimension | 3D |
Zusatzparameter | Maßstab m, Nullpunktabweichung a |
Funktionales Modell | z=arctan√Δv2+Δu2Δw−ks2D2R |
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Stochastisches Modell | σz=√σ2a+(σb√d)2+(σcd)2 |
Punktdimension | 3D |
Zusatzparameter | Refraktionskoeffizient k |
(Bemerkung: R entspricht dem Erdradius an der geographischen Breite ϕ0 von P0)
Im Gegensatz zu den terrestrischen Beobachtungen, bei denen zwischen den Punkten Ps und Pz ein einziger Messwert vorliegt, wird die GNSS-Basislinie in Abhängigkeit der Dimension in eine b1D=(δz)T, zwei b2D=(δxδy)T oder drei b3D=(δxδyδz)T Vektorkomponenten aufgesplittet. Der Abstand d zur Bildung des entfernungsabhängigen Anteils im stochastischen Modell entspricht hierbei der zugehörigen Basislinenvektorkomponente.
Funktionales Modell | b1D=δz=mR(xz−xsyz−yszz−zs) |
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Stochastisches Modell | σδz=√σ2a+σ2bd+σ2cd2 |
Punktdimension | 1D, 3D |
Zusatzparameter | Maßstab m, 2 Drehwinkel in Matrix R |
(Bemerkung: Bei 1D-Punkten müssen die x und y-Koordinaten nur genähert bekannt sein.)
Funktionales Modell | b2D=(δxδy)=mR(xz−xsyz−ys) |
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Stochastisches Modell | Cb=(σ2δx00σ2δy) worin σδ=√σ2a+σ2bd+σ2cd2 |
Punktdimension | 2D, 3D |
Zusatzparameter | Maßstab m, Drehwinkel in Matrix R |
Funktionales Modell | b3D=(δxδyδz)=mR(xz−xsyz−yszz−zs) |
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Stochastisches Modell | Cb=(σ2δx000σ2δy000σ2δz) worin σδ=√σ2a+σ2bd+σ2cd2 |
Punktdimension | 3D |
Zusatzparameter | Maßstab m, 3 Drehwinkel in Matrix R |
Im Rahmen einer weichen Lagerung bzw. dynamischen Ausgleichung werden den stochastischen Anschlußpunkten Unsicherheitsbeiträge zugestanden. Dies erscheint insofern gerechtfertigt, da die Punkte, mit denen der Netzanschluß zu realisieren ist, aus vorherigen Messungen stammen und somit für jeden Punkt neben der Koordinate selbst eine Unsicherheit vorliegt. Die Matrix I bezeichnet im Folgenden eine Einheitsmatrix.
Funktionales Modell | P1D=z=Iz |
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Stochastisches Modell | CP=σ2z |
Punktdimension | 1D |
Funktionales Modell | P2D=(xy)=I(xy) |
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Stochastisches Modell | CP=(σ2x00σ2y) |
Punktdimension | 2D |
Funktionales Modell | P3D=(xyz)=I(xyz) |
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Stochastisches Modell | CP=(σ2x000σ2y000σ2z) |
Punktdimension | 3D |
Bei räumlichen Präzisionsnetzen oder Netzen mit großer Ausdehnung ist die Annahme von parallelen Lotrichtungen für alle (Stand-)Punkte häufig nicht zutreffend. Hier empfiehlt es sich, zusätzliche Parameter zur Kompensation der Lotabweichung bzw. Stehachsrestneigung ins Ausgleichungsmodell zu integrieren. Neben der Berücksichtigung von klassischen terrestrischen Instrumenten wie bspw. Tachymetern können durch die integrierte, hybride 3D-Netzausgleichung auch Messungen von Lasertrackern streng auf der Basis der originären Beobachtungen verarbeitet werden.
Funktionales Modell | ζ=(ζxζy)=I(ζxζy) |
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Stochastisches Modell | Cζ=(σ2ζx00σ2ζy) |