3D Netz; Niv+Tachy

by Micha ⌂, Bad Vilbel, (10 days ago) @ Markus_w

Hallo Markus,

Vielen Dank für die Hilfe, das Problem wird damit gelöst!

Super.

Warum hat nun die Kugel als Bezugsfläche die Höhenunterschiede verbessert?

Die Einstellung lokal kartesisches System nutzt tatsächlich ein echtes (lokales) kartesisches System, sodass die Erdkrümmung unberücksichtigt bleibt. Es wird demnach davon ausgegangen, dass die Stehachsen alle parallel zur z-Achse sind. Für Netze mit geringer Ausdehnung kann dies durchaus eine sinnvolle Wahl sein. Auch Messungen im industriellen Bereich nutzen i.A. echte kartesische (Objekt-)Koordinatensysteme. Führen wir Messungen im Teilchenbeschleuniger mit unseren Laserrackern durch, dann nutzen wir diese Einstellung, da Lasertracker i.A. nicht horizontiert werden. Die Schiefstellung der Stehachsen zueinander und zur z-Achse kompensieren wir durch das Mitbestimmen von Restneigungen für die Instrumente.

Messungen mit geodätischen Bezug beziehen sich meist auf die lokale Lotrichtung im jeweiligen Standpunkt. In der Folge sind auch hier die Stehachsen (oder beim Nivellement die Latten) nicht parallel. Wenn man sich die einzelnen Stehachsen auf der Erde gedanklich vorstellt, dann entsteht etwas, dass vielleicht entfernt an einen Igel erinnert - bildlich gesprochen. Im Gegensatz zu den Lasertrackermessungen, bei denen das Instrument willkürlich aufgebaut ist, horizontiert man aber klassische terrestrische Instrumente. Unterstellt man, dass die Erde lokal durch eine Kugel ganz gut approximiert werden kann, dann lassen sich die Neigungen der einzelnen (lokal horizontierten) Stehachsen bestimmen. (Analog funktioniert dies auch auf dem Ellipsoid.) Sobald demnach ein lokal ellipsoidisches System verwendet wird, bestimmt JAG3D diese Restneigung und Berücksichtigt diese. Diskrepanzen, die aus der Erdkrümmung entstehen, reduzieren sich hierdurch. Insbesondere passen dann Nivellement und Tachymeter im Allgemeinen recht gut zusammen.

Damit die Interpretation der Ausgleichungsergebnisse so einfach wie möglich bleibt (die z-Richtung bspw. mit der Höhe korrespondiert), habe ich mich für ein lokales System entschieden und nicht für ein geozentrisches. Das lokale System wird tangential an die Erde gelegt. Der Berührungspunkt ist der Fundamentalpunkt, den Du in den Einstellungen setzt. In diesem Punkt ist also die Lotrichtung und die z-Achse identisch orientiert, siehe die Abbildung 2 im Wiki. Das lokale System ist über die Umformung direkt mit dem geozentrischen System verbunden, sodass man zwischen beiden Darstellungen verlustfrei umrechnen kann.

Ich möchte am Ende ein GNSS+Tachy+Niv Netz ausgleichen und global kartesische 3D Koordinaten im ETRS89 herausbekommen.

Hierzu benötigst Du Datumspunkte im geozentrischen System (die ggf. aus Länge und Breite und Höhe abgeleitet wurden). Diese formst Du mit den im Wiki genannten Gleichungen in lokale kartesische Koordinaten um, wobei Du einen Punkt im Netz (bspw. den Schwerpunkt) als Fundamentalpunkt verwendest. Der Fundamentalpunkt muss also kein realer Punkt sein. Wenn Du nach der Ausgleichung aus diesen geschätzten lokalen Koordinaten wieder geozentrische oder geographische oder UTM Koordinaten erzeugen willst, drehst Du die Rechnung praktisch um. Aus den geschätzten lokalen Koordinaten werden wieder geozentrische. Diese lassen sich in geographische Koordinaten umrechnen und dann ggf. projizieren.

Wie stelle ich sicher, dass ich nachher tatsächlich ellipsoidische Höhen(unterschiede) herausbekomme?

Die Umformung der geozentrischen X,Y,Z-Werte in lokale x,y,z-Koordinaten erfordert dies bereits. Es ist damit implizit durch Deine Vorgaben sichergestellt.

Muss ich dafür zusätzlich eine Lotabweichung mitschätzen ?

Das hängt ein wenig von Deinem Problem ab. Die Schiefstellung, die in JAG3D berücksichtigt wird, ergibt sich aus der Kugel bzw. dem Ellipsoid. Die Normale an der Fläche fällt natürlich in der Realität nicht perfekt mit der lokalen Lotlinie zusammen, und man könnte diese mitbestimmen. Dies bedeutet, dass Du die Horizontierung aufgibst - siehe mein Tracker-Beispiel oben. Liegen nur wenige Messungen vor oder ist die Verteilung nicht besonders gut, wird man vermutlich Restabweichungen der Beobachtungen vor allem in diese Winkel drücken. Ich würde die Restneigungen daher zunächst nicht schätzen und schauen, wie die Ergebnisse sind.

Werden die GNSS Basislinien einfach als Näherungskoordinaten verwendet oder sollte man in dem Fall diese auch als 3D GNSS-Basislinien in JAG einfügen?

Ich persönlich forme die Basislinien mit der o.g. Umformung ins lokale System um und führe sie dann als 3D GNSS-Basislinien ein und verzichte auf zusätzliche Integrationsparameter als weitere Unbekannte. Andere Wege sind aber auch denkbar. Hier gibt es m.M.n. kein richtig oder falsch. In der von mir favorisierten Variante reduzieren sich aber die Zusatzunbekannte.

Viele Grüße
Micha

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