Interpretation Deformation Festpunkte und Kongruenzanalyse

by Micha ⌂, Bad Vilbel, Thursday, April 16, 2020, 10:57 (1465 days ago) @ joerg

Hallo Jörg,

mir hilft es, wenn ich vom Best-Case ausgehe, um die Ergebnisse zu analysieren. Nehmen wir also an, zwischen den Epochen hat keine Änderung stattgefunden. Dann müssten sich Deine vier Datumspunkte exakt auf die Datumspunkte der folgenden Epochen transformieren lassen. Jetzt würde es auch keinen Unterschied machen, ob Du statt der vier Punkte nur drei oder zwei für die Datumsdefinition verwendest. Für alle vier Punkte würdest Du, wenn Du die beiden Netze aufeinander transformierst, keine Residuen oder Restklaffen erhalten. Ich denke, soweit stimmen wir überein.

Diese Situation ändert sich aber, wenn ein Punkt zwischen den Epochen verschoben wurde. Dann bilden nur noch die verbliebenen drei Punkte eine kongruente Basis. Diese drei Datumspunkte hätten wieder keine Residuen und nur für den vierten Punkt erhältst Du Verschiebungen entsprechend der Deformation.

Nun können wir diese perfekte Welt nicht abbilden, da wir beim Messen immer gewisse Unsicherheiten haben. Wir gehen nun davon aus, dass ausschließlich zufällige Abweichungen existieren aber keine Deformationen. Wenn wir jetzt die o.g. Analyse durchführen, dann erhalten wir kleine Residuen in den Datumspunkten. Aber auch wenn wir nur drei oder zwei Punkte verwenden würden, sollten diese Residuen unerheblich sein für die Punktlagen der übrigen Punkte. Auch hier denke ich, stimmst Du mir zu.

Ist nun aber ein Punkt verschoben, dann suchen wir die gemeinsame (kongruente) Basis, indem wir nacheinander einen Punkt als verschoben betrachten und uns die Abweichungen dieses Kandidaten ansehen und bewerten.

Das Problem ist also nicht, dass vier unterschiedliche Netzlagerungen vollzogen werden, sondern dass es Diskrepanzen in Deinem Netz gibt. Die Netzlagerungen sind nur das Werkzeug, um diesen Effekt sichtbar zu machen.

Zum Bewegungsverhalten der vier Festpunkte 101-104 habe ich jetzt 2 Erklärungsmöglichkeiten:
1. Es handelt sich um eine scheinbare Bewegung, die durch die Netzschwäche (fehlende Verbindungen durch Sichthindernisse in EP1) bei den Punkten 102 und 103 verursacht wird.

Möglich, aber eigentlich sollte eine solche Schwäche in der Netzkonfiguration in entsprechend größeren Konfidenzbereichen (unsichereren Punktlagen) münden und bei der Bewertung berücksichtigt werden. (So wie ein schleifender Schnitt zu sehr gestreckten Ellipsen führt.)

2. Die Punkte 102 und 103 liegen auf auf einem Betonfundament, die Punkte 101 und 104 auf dem umgebenden Gelände. Auf Grund der Örtlichkeit könnte ich mir evtl. vorstellen, dass sich das Betonfundament gegenüber dem umliegenden Gelände bewegt (in meinem Fall nach Norden).

Du kennst die Situation in der Örtlichkeit besser als ich, um so etwas zu beurteilen.

Wenn wir davon ausgehen, dass keine Veränderung stattgefunden hat, dann könnte das Anzeigen von Deformationen auch aus einem ungenügenden stochastischen Modell resultieren. Die Bewertung beim Hypothesentest findet in Relation zur Messunsicherheit statt. Wenn diese zu optimistisch ist, reagiert der Test entsprechend schärfer auf kleine Änderungen.

Viele Grüße
Micha

--
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Tags:
JAG3D, Kongruenzanalyse, Deformation, Interpretation, Ausgleichungsergebnisse

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