sigma_c(d) von Horizontalwinkelbeobachtungen

by gf, Tuesday, August 27, 2019, 05:41 (1913 days ago)

Hallo Experten,

laut Tooltip im Reiter "Eigenschaften" soll sigma_c(d) der "streckenproportionale Anteil" der Messunsicherheit sein.

Anhand des stochasitschen Modells würde ich hingegen eher erwarten, dass es sich um den umgekehrt/invers streckenproportionalen Anteil handelt, da in der Gleichung sigma_c durch d dividiert wird, und nicht multipliziert?

Ferner verstehe ich die Einheit [mm] nicht. Wenn das o.g. stochastische Model für sigma_t eine kombinierte Messunsicherheit in [mgon] ergeben soll, müsste dann sigma_c nicht die Einheit [mgon*m] haben (vorausgesetzt, dass die Strecke d in Metern gemessen wird)?

Wo könnte hier mein Verständnisproblem liegen?

Viele Grüße
gf

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sigma_c(d) von Horizontalwinkelbeobachtungen

by Micha ⌂, Bad Vilbel, Tuesday, August 27, 2019, 08:09 (1913 days ago) @ gf

Hallo gf,

laut Tooltip im Reiter "Eigenschaften" soll sigma_c(d) der "streckenproportionale Anteil" der Messunsicherheit sein.

Streckenabhängiger Anteil trifft es sicherlich besser. So habe ich es jetzt mal umbenannt.

Ferner verstehe ich die Einheit [mm] nicht. Wenn das o.g. stochastische Model für sigma_t eine kombinierte Messunsicherheit in [mgon] ergeben soll, müsste dann sigma_c nicht die Einheit [mgon*m] haben (vorausgesetzt, dass die Strecke d in Metern gemessen wird)?

Die Winkel werden (intern) in Radiant abgelegt, vgl. den Hinweis bei Eigenschaften bzw. die etwas ausführlichere Erklärung. Da jeder Nutzer die Winkelausgabe demnach selbst definieren kann, wird im Wiki ebenfalls Radiant als Winkeleinheit verwendet.

Wo könnte hier mein Verständnisproblem liegen?

Dass Du von der falschen Winkeleinheit ausgehst und in der zitierten Stelle im Wiki das $\rho = \frac{200}{\pi}$ nicht findest, vermute ich.

Viele Grüße
Micha

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sigma_c(d) von Horizontalwinkelbeobachtungen

by gf, Tuesday, August 27, 2019, 10:42 (1913 days ago) @ Micha

Dass Du von der falschen Winkeleinheit ausgehst

Hallo Micha,

sind die "mm", die im GUI neben sigma_c stehen, dann letzendlich als "rad * mm" zu interpretieren? D.h. sigma_c = 0.5 mm würde bei d = 2m dann einer anteiligen Winkelunsicherheit von 0.00025 rad entsprechen?

[ Es hat mich schon etwas verwirrt, dass die konfigurierte Winkelunsicherheits-Einheit "mgon" zwar bei der Anzeige von sigma_a honoriert wird, bei sigma_c aber offenbar nicht, obwohl sigma_c ja aus logischer Sicht ein Produkt aus Winkelunsicherheit und Strecke ist, und keine Strecke per se. ]

Übrigens, müsste sigma_b dann nicht auch (mm)^0.5 als Einheit haben, anstatt mm?

Viele Grüße
gf

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sigma_c(d) von Horizontalwinkelbeobachtungen

by Micha ⌂, Bad Vilbel, Wednesday, August 28, 2019, 07:10 (1912 days ago) @ gf

Hallo gf,

sind die "mm", die im GUI neben sigma_c stehen, dann letzendlich als "rad * mm" zu interpretieren?

Geht man davon aus, und das wird fast ausnahmslos die Regel sein, dass der Abstand zwischen den Punkten $d$ im Vergleich zur Unsicherheit in der Querabweichung $\sigma_c$ deutlich größer ist, d.h., $d \gg \sigma_c$, dann kann die zur angenommenen Unsicherheit der Querabweichung gehörende Winkelunsicherheit über die Bogenformel $\frac{\sigma_c}{d}$ approximiert werden.

D.h. sigma_c = 0.5 mm würde bei d = 2m dann einer anteiligen Winkelunsicherheit von 0.00025 rad entsprechen?

Ja. Diese Unsicherheit steigt also bei kurzen Zielweiten an. Dass die Approximation reicht, sieht man an Deinem Beispiel sehr gut, da $\arcsin{\frac{\sigma_c}{d}} \approx {\frac{\sigma_c}{d}}$.

obwohl sigma_c ja aus logischer Sicht ein Produkt aus Winkelunsicherheit und Strecke ist, und keine Strecke per se.

Nein, das ist ein Trugschluss. $\sigma_c$ ist, da es die (metrische) Zentrier- oder Anzielunsicherheit beschreibt, ein Abstand und kein Winkel. Da es kein Winkel ist, muss das metrische Maß mittels $d$ auch noch in ein Winkelmaß überführt werden. Dieselbe Betrachtung trifft sinngemäß auch auf $\sigma_b$ zu.

Viele Grüße
Micha

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sigma_c(d) von Horizontalwinkelbeobachtungen

by gf, Wednesday, August 28, 2019, 05:09 (1912 days ago) @ Micha

Danke Micha für die Erklärung. Wenn sigma_c primär zur Modelliierung dieser Fehler benutzt wird, dann macht es natürlich Sinn, diese direkt als Distanz zu spezifizieren und intern entsprechend umzurechnen.

Welche "real-world" Fehler sind eigentlich propotional zu 1/sqrt(d), bzw. proportional zu sqrt(d), sodass man sie (annähernd) mit sigma_b modellieren könnte?

Vielehd Grüße
gf

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sigma_c(d) von Horizontalwinkelbeobachtungen

by Micha ⌂, Bad Vilbel, Thursday, August 29, 2019, 05:52 (1912 days ago) @ gf

Hallo,

Danke Micha für die Erklärung.

Kein Ding. Ich weiß ja nicht, in welchem Kontext Du diese Info benötigst. Dass diese Modellbildung üblich ist, findest Du auch in den Fachbüchern zur Ausgleichungsrechung bspw. Jäger et al., S. 261. Dies ist also kein Alleinstellungsmerkmal von JAG3D.

Welche "real-world" Fehler sind eigentlich propotional zu 1/sqrt(d), bzw. proportional zu sqrt(d), sodass man sie (annähernd) mit sigma_b modellieren könnte?

Diese Unsicherheit ist, sofern Du das nicht geändert hast, bei Richtungen zu Null gesetzt, da es dort eher unüblich ist. Beim Nivellement hingegen ist diese Unsicherheit praktisch der Standard. Dort spezifizieren die Hersteller ihre Instrumente mit $\sigma_b$. Bei Strecken könnte ich mir auch ein $\sigma_b$ vorstellen. Hier gibt es Untersuchungen die zeigen, dass bei kurzen Distanzen durchaus kein linearer Anstieg der Unsicherheit vorliegt.
Letztlich zwingt Dich keiner, den einen oder anderen Wert zu benutzen. JAG3D bietet Dir lediglich die Option an, nutzen musst Du sie dann schon selbst (oder eben nicht).

Viele Grüße
Micha

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sigma_c(d) von Horizontalwinkelbeobachtungen

by gf, Friday, August 30, 2019, 10:15 (1910 days ago) @ Micha

Ich weiß ja nicht, in welchem Kontext Du diese Info benötigst. Dass diese Modellbildung üblich ist, findest Du auch in den Fachbüchern zur Ausgleichungsrechung bspw. Jäger et al., S. 261. Dies ist also kein Alleinstellungsmerkmal von JAG3D.

Ich will primär nur die Interpretation der Parameter verstehen, damit ich plausible Werte angeben kann. Themen wie Least Squares oder Regression sind mir nicht ganz fremd, aber ich bin kein Geodät, daher weiß ich leider nicht in allen Details, welche Arten der Fehler-Modellierung in der Geodäsie üblich sind, um mich daran zu orientieren. Ich stecke inzwischen Zeit ohnehin schon viel tiefer in der Materie, als ich es jemals vor hatte :-) Mein Use-Case ist kein klassisch geodätischer. Angefangen hat es damit, dass ich "nur" einen Bestandsplan einiger Räumlichkeiten in unserem Haus rekonstruieren wollte. Allerdings ist das kein Rechteck-Haus. Die meisten Winkel sind keine rechten Winkel, d.h. es reicht nicht, einfach nur Länge und Breite zu messen, viele Stellen sind unzugänglich oder verwinkelt, sodass man indirekt messen muss, dann verhindern wieder Pfeiler oder Inventar eine durchgehende Streckenmessung, usw. Diagonalen von Raumecke zu Raumecke über 10 Meter mit einem Laserdistanzmesser freihändig zu messen führte auch nur zu verwackelten, ungenauen Ergebnissen. Beim Versuch, meine ersten Messwerte (nur Strecken) zu einem Plan zusammenzufügen, kam die Ernüchterung - die redundanten Messwerte haben einfach nicht zueinander gepasst, jedenfalls bei weitem nicht mit der (ohnehin bescheidenen) Genauigkeit, die ich erreichen wollte. Damit ergab sich die Notwendigkeit, meine Methodik zu verbessern. Bei weiteren Recherchen bin ich dann auf die geodätischen Methoden gestoßen und auch auf das Thema Ausgleichsrechnung und auf JAG3D. Optimal wäre für meinen Use-Case vermutlich eine Totalstation oder überhaupt ein Laserscanner. Das liegt aber weit über dem Budget, das ich dafür spendieren möchte. Als Kompromiss habe ich dann einen günstigen gebrauchten Theodolit erworben und meinen nächsten Versuch mit kombinierten Messungen von Winkeln und ausgewählten gut messbaren Horizontalstrecken gestartet (ca. 30 Neupunkte im Raum, 4 Theodolit-Standorte, ca. 100 Winkel- und 20 Horizontalstreckenbeobachtungen). Die anvisierten Punkte musste ich mit Zielmarken versehen (ein Stück Malerkrepp, darauf ein Kreuz mit Kugelschreiber), denn Raumecken/Kanten sind manchmal so kontrastarm, dass man sie im Fernrohr oft gar nicht mehr als Kanten erkennen kann, oder so abgerundet, dass man keinen reproduzierbaren Anzielpunkt hätte. Die Beobachtungen habe ich in JAG3D eingegeben, zusätzlich noch ein paar Pseudo-Beobachtungen, die als Constraints agieren. Einige wenige Beobachtungen musste ich wegen zu hoher Fehler deaktivieren, die anderen passen jetzt erstaunlich gut zueinander, obwohl ich nur in einer Fernrohrlage gemessen habe und der Theodolit auch nicht immer bestmöglich zentiert und horizontiert war. Nur die Orientierungszusatzparameter stehen im Report noch mit einem roten Kreuz anstatt mit einem grünen Haken :-( Diesbezüglich bräuchte ich eventuell noch Unterstützung bei der Analyse.

Viele Grüße
gf

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sigma_c(d) von Horizontalwinkelbeobachtungen

by Micha ⌂, Bad Vilbel, Saturday, August 31, 2019, 08:33 (1909 days ago) @ gf

Hallo,

Nur die Orientierungszusatzparameter stehen im Report noch mit einem roten Kreuz anstatt mit einem grünen Haken :-( Diesbezüglich bräuchte ich eventuell noch Unterstützung bei der Analyse.

Die kannst Du in Deinem Fall ignorieren. Das gilt auch für die meisten geodätischen Anwendungen, da man üblicherweise keine Azimute sondern nur (bezugslose) Richtungen misst. Da im funktionalen Modell zwischen einem Azimut und einer Richtung kein Unterschied besteht, gibt es keine getrennten Gruppen in JAG3D. Bei einem Azimut möchte man aber ggf. prüfen, wie gut die gemessene Nordrichtung zur Nordrichtung des Koordinatensystems passt, sodass hier (und nur hier) eine statistische Prüfung der Orientierung Sinn macht.

Viele Grüße
Micha

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sigma_c(d) von Horizontalwinkelbeobachtungen

by gf, Saturday, August 31, 2019, 02:25 (1909 days ago) @ Micha

Die kannst Du in Deinem Fall ignorieren. Das gilt auch für die meisten geodätischen Anwendungen, da man üblicherweise keine Azimute sondern nur (bezugslose) Richtungen misst.

Hallo Micha, danke, ich hatte mich ohnehin schon gefragt, warum die Richtung der Orientierungsunbekannten für mich überhaupt relevant sein sollte.

Da im funktionalen Modell zwischen einem Azimut und einer Richtung kein Unterschied besteht, gibt es keine getrennten Gruppen in JAG3D. Bei einem Azimut möchte man aber ggf. prüfen, wie gut die gemessene Nordrichtung zur Nordrichtung des Koordinatensystems passt, sodass hier (und nur hier) eine statistische Prüfung der Orientierung Sinn macht.

OK. Diese Statistik macht also nur Sinn, wenn man die 0°-Richtung des Theodolits nach Norden ausgerichtet hat und dennoch eine Gruppe mit Orientierungsunbekannte benutzt, um die Nord-Abweichung zu beurteilen (für absolute Azimut-Beobachtungen könnte man sonst ja auch eine Gruppe ohne Orientierungsunbekannte benutzen).

Bei folgender Sache hätte ich auch noch gerne einen Rat:

Wie modelliere ich am besten die zwei- (oder mehr-)fache Aufstellung eines Theodolits über dem selben Bodenpunkt? Ist es besser, wenn ich jeder neuerlichen Aufstellung einen eigenen Neupunkt zuordne und die (geringfügig abweichenden) Positionen alle berechnen lasse, oder benutze ich besser nur einen gemeinsamen Neupunkt für alle Aufstellungen über dem selben Bodenpunkt? In letzterem Fall muss ich sigma_c erhöhen, um die zentrierfehlerbedingte Spannung zu reduzieren (wie sich auch experimentell gezeigt hat). Wenn hingegen jede einzelne Position individuell berechnet wird, dann entfällt der Zentrierfehler und sigma_c kann klein bleiben. Klar ist natürlich, dass die Beobachtungen in unterschiedliche Gruppen müssen, da sich die Orientierungsunbekannten unterscheiden können. Bei separaten Punkten sehe ich den Nachteil, dass mehr unbekannte Parameter ermittelt werden müssen, wodurch die Redundanz sinkt.

Viele Grüße
gf

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sigma_c(d) von Horizontalwinkelbeobachtungen

by Micha ⌂, Bad Vilbel, Saturday, August 31, 2019, 05:43 (1909 days ago) @ gf

Hallo,

Wie modelliere ich am besten die zwei- (oder mehr-)fache Aufstellung eines Theodolits über dem selben Bodenpunkt?

Du hast die Pros und Kontras ja schon selbst genannt. Wenn Du die Zentrierung sauber hin bekommst, wird man wohl den selben Punkt noch einmal verwenden, war diese lediglich in guter Nähe, wird man hierauf verzichten. Das musst Du abschätzen. Du siehst ja die Differenzen zwischen den Koordinaten. Wenn Dir diese als verschwindend klein erscheinen (weil sie nur µm Werte besitzen), könnte man die Standpunkte wohl zu einem Zusammenfassen. Liegen hier aber mehrere Zentimeter zwischen den Werten, wird man dies wohl lieber lassen.

Viele Grüße
Micha

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sigma_c(d) von Horizontalwinkelbeobachtungen

by Eddi, Thursday, August 29, 2019, 12:23 (1911 days ago) @ gf

Hallo,
eine typische Anwendung ist die mechanische Streckenmessung, guck Dir mal die alten Fehlerformeln u.ä. an.
Also heute eher bei der Auswertung alter Katastermessungen einsetzbar (auch das geht wunderbar mit JAG3D ;-) ) :-)

Eddi

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