Varianzkomponentenschätzung
Diskrepanzen im funktionalen Modell lassen sich durch eine Modellerweiterung aufdecken. Hierzu zählt auch das Aufdecken von Fehlmessungen, da diese als unzureichendes funktionales Modell interpretiert werden können. Durch die Integration von Zusatzparametern wird das funktionale Modell richtiggestellt und die Modellstörung behoben. Mittels Hypothesentests lässt sich abschließend die Größe des geschätzten Zusatzparameters bewerten.
Zur Prüfung und Abstimmung des stochastischen Modells wird i.A. eine Varianzkomponentenschätzung verwendet. Der geschätzte a-posteriori Varianzfaktor der Gesamtausgleichung
$$\hat{\sigma}^2_0 = \frac{\mathbf{v^TPv}} {n-u+d} = \frac{\Omega} {\tr \mathbf{R}}$$
wird häufig über einen Globaltest zur Prüfung des funktionalen und stochastischen Modells bewertet. Ist das stochastische Modell der Beobachtungen nur unzureichend aufeinander abgestimmt, wird dieser Globaltest abgelehnt. Eine Lokalisierung der Beobachtungstypen, die zum Verwerfen der Nullhypothese des Globaltests führten, ist jedoch allein mit dem a-posteriori Varianzfaktor nicht möglich. Im Rahmen der Varianzkomponentenschätzung erfolgt somit eine Zerlegung des a-posteriori Varianzfaktors, sodass die p
Anteile, die das stochastische Modell der einzelnen Beobachtungstypen am geschätzten a-posteriori Varianzfaktor besitzen, analysierbar werden.
$$\mathbf{C_{ll}} = {\sigma}^2_0 \mathbf{Q} = \sum_{j=1}^p {\sigma}^2_{0,j} \mathbf{Q}_j$$
Hierzu erfolgt eine komponentenweise Zerlegung der Verbesserungsquadratsumme
$$\Omega = \sum_{j=1}^p \Omega_j$$
sowie der Gesamtredundanz
$$r = \sum_{j=1}^p r_j$$
im Netz. Woraus sich die einzelnen Varianzkomponenten ergeben.
$$\hat{\sigma}^2_{0,j} = \frac{\Omega_j}{r_j} = \frac{\mathbf{v^TPQ_jPv}}{\tr \mathbf{(RQ_jP)}}$$
JAG3D führt am Ende einer Netzausgleichung stets eine Varianzkomponentenschätzung mit reihenden und überlappenden Varianzkomponenten durch. Aus der reihenden Varianzkomponentenschätzung liegt im Ergebnis ein geschätzter Varianzfaktor pro Beobachtungstyp vor. Die Schätzung erfolgt unabhängig davon, ob die Beobachtungen eine individuelle Unsicherheit oder die Gruppenunsicherheit verwenden. Zusätzlich zu den reihenden Varianzfaktoren erfolgt eine Varianzkomponentenschätzung mit überlappenden Varianzkomponenten. Bei terrestrischen Beobachtungen erfolgt die Aufteilung der Varianzkomponenten gemäß dem gewählten stochastischen Modell der Beobachtungsgruppen in einen konstanten und bis zu zwei entfernungsabhängige Anteile. Stochastische Anschlußpunkte werden Komponentenweise aufgeteilt. Bei dieser erweiterten Varianzkomponentenschätzung werden nur Beobachtungen berücksichtigt, deren stochastisches Modell aus den Gruppenunsicherheiten resultiert. Beobachtungen, die eine individuelle Gewichtung besitzen, bleiben unberücksichtigt.
Die geschätzten Varianzkomponenten lassen sich, wie auch der globale a-posteriori Varianzfaktor der Gesamtausgleichung, durch einen Hypothesentest validieren. Insbesondere bedeutet ein:
- $\sigma^2 \gg 1.0$ eine zu optimistische Annahme des a-priori gewählten stochastischen Modells (oder das Vorliegen von Modellstörungen im funktionalen Modell)
- $\sigma^2 \ll 1.0$ eine zu pessimistische Wahl des a-priori stochastischen Modells.
Die Zuverlässigkeit der geschätzten Varianzkomponenten hängt maßgeblich vom Grad der Überbestimmung - dem Redundanzanteil der Gruppe - ab. Idealerweise liegt dieser über $r_j \gt 50$ für die jeweilige Komponente (vgl. Förstner 1979).